Umbau in globalen Aerospace-Konzern gestartet. Sonderaufwände belasten das Ergebnis.
Die zwei aus RUAG entstehenden, unabhängigen Unternehmen können auf der Basis eines neuen Umsatzhochs, eines grossen Auftragsbestands und einer stark gewachsenen Nettofinanzposition starten. Auf Grund der Entflechtungskosten und der damit verbundenen Entscheidung, Teile der internationalen Aktivitäten zu verkaufen, weist der Konzern 2019 allerdings ein Defizit aus....
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Der Nettoumsatz übertrifft mit CHF 2003 Mio. im Jahr 2019 erstmalig die 2-Milliarden-Umsatz-Grenze. Der Auftragseingang hielt sich mit CHF 1893 Mio. auf einem hohen Niveau, der Free Cash Flow mit 135 Mio. (+44 %) wie auch die Nettofinanzposition mit CHF 237 Mio. (+77 %) konnten beide erheblich gesteigert werden. Diesen soliden Basiskennzahlen steht eine negative Entwicklung von operativem Ergebnis und Reingewinn gegenüber. Der EBIT sank auf CHF –7 Mio. (Vorjahr 106 Mio.) und der Reingewinn (-verlust) auf CHF –25 Mio. (Vorjahr 74 Mio.). Der Verwaltungsrat beantragt auf eine Dividendenauszahlung an die Eidgenossenschaft zu verzichten (Vorjahr CHF 30 Mio.).
Die Tatsache, dass RUAG 2019 zum zweiten Mal in der Firmengeschichte einen Verlust ausweisen muss, beruht zum überwiegenden Teil auf einer ungewöhnlichen Kombination von Sonderaufwänden, die im Berichtsjahr notwendig wurden. Zum einen belasteten die eingeplanten Kosten der Entflechtung das Ergebnis mit CHF 30 Mio. Dazu addierten sich CHF 16 Mio., die durch eine Neubewertung von Pensionskassenrückstellungen in Deutschland und in Schweden aufgrund des stark gesunkenen Zinsniveaus vorgenommen werden mussten, umfangreiche Wertberichtigungen im Rahmen der Portfoliobereinigung auf Vorräten und Sonderabschreibungen auf Anlagen im Umfang von rund CHF 58 Mio. für das Programm zur Herstellung der Dornier 228 sowie Wertberichtigungen und Restrukturierungskosten für die Reduktion der Wertschöpfungsbreite im Flugzeugstrukturbau Emmen von CHF 10 Mio. Zudem wurde der zwei bis drei Jahre dauernde Umbau von RUAG International in einen Aerospace-Konzern gestartet. Die im Jahr 2019 abgeschlossenen Devestitionen haben das Ergebnis mit rund CHF 21 Mio. positiv beeinflusst.
Im Gegensatz zur Gewinn- und Verlustrechnung zeigen die anderen fundamentalen Kennzahlen ein gesundes und stabiles Unternehmen. Der Umsatz übertraf trotz mehrerer im Zuge der Entflechtung bereits erfolgter Devestitionen (Juni: Business Aviation Genf und Lugano, Dezember: ICT-Security Clearswift) erstmals die 2-Milliarden-Franken-Grenze. Auftragseingang und Auftragsbestand erreichten trotz einer teilweise spürbaren Verunsicherung von einzelnen Kunden auf Grund des Entflechtungsentscheids das hohe Niveau der Vorjahre. Das Strukturerhaltungsprogramm für den F/A-18 hatte im 2018 hier für eine ausserordentlich grossen Zuwachs gesorgt. Markant gesteigert wurde die Nettofinanzposition – mit rund 100 Mio. – vor allem bedingt durch Nettogeldzufluss aus den beiden Devestitionen. Damit verfügte RUAG Ende des Berichtsjahrs über Zahlungsmittel im Umfang von CHF 237 Mio.
Der Anteil der im zivilen Bereich erwirtschafteten Umsätze blieb im Berichtsjahr mit 56 % genauso stabil wie der Auslandanteil (63 %). Der mit Abstand wichtigste Kunde war mit einem Umsatzanteil von 32 % (Vorjahr 30 %) das VBS. Die Zahl der Vollzeitstellen sank leicht per Ende Jahr auf 9091 (Vorjahr 9127). Zum einen nahmen die Stellen durch die erfolgten Devestitionen ab, zum anderen führten die Umsatzzunahmen bei Aerostructures, Ammotec und MRO Schweiz zu einem Aufbau.
Entwicklung der Divisionen
Das operative Geschäft verlief 2019 uneinheitlich. In allen Divisionen blieben einzelne Geschäftseinheiten unter den Erwartungen. Das stabile Geschäftsjahr von RUAG Space war durch den Aufbau der neuen Produktionsstätte für Kohlefaserstrukturen in Decatur im US-Bundesstaat Alabama geprägt. Zahlreiche Prototypen von Nutzlastverkleidungen konnten dem Partner United Lauch Alliance (ULA) übergeben werden. Im April 2020 ist die Auslieferung der ersten für den Weltraumeinsatz vorgesehenen Strukturen geplant. Eine neue Stufe der Industrialisierung erreichte die zweite US-amerikanische Produktionsstätte in Titusville, Florida, mit einer weltweit einzigartigen Produktionsrate von 30 Dispensern pro Monat für die Satelliten-Konstellation OneWeb. In Europa markierte der 250. Start einer Ariane-Trägerrakete einen weiteren Meilenstein. Seit dem Erstflug 1979 steuern Bordrechner von RUAG die Rakete und schützen RUAG-Nutzlastverkleidungen die Fracht mit einem 100-prozentigen Missionserfolg. Ein vielversprechender Ersterfolg gelang in Asien. Die Division wird Mitsubishi Heavy Industries die Nutzlastverkleidungen für die neue japanische Trägerrakete H3 liefern. Neben den Investitionen in den Produktionsaufbau in den USA belastetet auch eine Erhöhung der Vorsorgeverpflichtungen in Schweden bedingt durch das deutlich gesunkene Zinsniveau das Ergebnis. Dies führte in der Summe zu einem Rückgang von Umsatz und operativem Ergebnis (EBIT).
Mitten im Turnaround-Prozess befand sich 2019 die Division Aerostructures. An den Standorten Oberpfaffenhofen (Deutschland) und Eger (Ungarn) wurde intensiv an Restrukturierungs- und Stabilisierungsprogrammen gearbeitet. Trotzdem gelang es, angetrieben durch das Single-Aisle-Programm von Airbus, den Umsatz eine weiteres Mal um über 12 % zu steigern. Dabei musste allerdings auch 2019 ein Verlust verzeichnet werden. Verantwortlich dafür waren zusätzliche Wertberichtigung, Sonderabschreibungen und Rückstellungen, die für die Aktivitäten am Standort Emmen vorgenommen werden musste. Die abrupte Beendigung des A380-Programms von Airbus und die rückläufige Produktion für die PC-21 von Pilatus machten eine grundlegende Umorientierung des Standorts notwendig. Im Rahmen eines Transition-Projekts fokussiert sich der Standort auf zukunftsträchtige Kerntechnologien wie Oberflächenbehandlung, Verbundwerkstoffe, militärische Montagen und Entwicklungstätigkeiten. Eine starke Basis für die Zukunft bildet die Erneuerung der Single-Sourcing- Partnerschaft mit Airbus zur Lieferung von Rumpfsektionen für die A320-Familie für weitere sechs Jahre. Damit sind rund 80 % der aktuellen Umsätze von Aerostructures in den kommenden Jahren abgesichert.
Sehr unterschiedlich entwickelten sich die Geschäfte von MRO International, in der mit Ausnahme der Munitionsproduktion alle zum Verkauf vorgesehenen Aktivitäten von RUAG zusammengefasst sind. Während die Geschäftseinheiten Simulation & Training und Aviation International sich solide entwickelten und die militärische und zivilen Flugzeug- und Helikopterunterhaltsbereiche profitabel wirtschafteten, mussten im Programm für die Herstellung der Dornier 228 umfangreiche Wertberichtigungen auf Vorräten und Sonderabschreibungen auf Anlagen im Umfang von rund 58 Mio. vorgenommen werden. Entsprechend verfehlte die Division die gesteckten Ziele. Zukunftsweisend sind unter anderem der Auftrag von Simulation & Training für ein Upgrade der Gefechtsausbildungszentren der Schweizer Armee sowie diverse Neuaufträge für den Unterhalt der NH90-Hubschrauber der Deutschen Bundeswehr, welche den Rückgang durch den Verlust eines vorherigen MRO-Auftrags mehr als kompensieren.
Zum wiederholten Mal ausgesprochen positiv entwickelte sich RUAG Ammotec. Dank einer konsequenten Marktausrichtung und ständigen Investitionen in die Produktionsanlagen ist die Division wesentlich stärker gewachsen als der Gesamtmarkt. Wachstumstreiber war im Berichtsjahr einmal mehr der Geschäftsbereich Armee & Behörden. Er profitiert vom einsetzenden Wachstum der Verteidigungsbudgets in den NATO-Staaten sowie von der steigenden Nachfrage nach qualitativ hochwertiger Spezial- und Sondermunition. Exemplarisch dafür steht ein weiterer Grossauftrag der niederländischen Polizei, der unter anderem dank eines patentierten Anzündsatzes gewonnen wurde, der eine forensische Schussabgabenbestimmung ermöglicht. Schwierig präsentierte sich demgegenüber auch in diesem Berichtsjahr das Umfeld im Segment Jagd & Sport, in dem anhaltende Überkapazitäten in den USA die Preise unter Druck setzten. Erfreulicherweise gelang aber trotzdem auch in diesem Bereich eine leichte Umsatzsteigerung. Insgesamt konnte Ammotec den Umsatz um 7 % steigern. Das operative Ergebnis (EBIT) wird durch eine Erhöhung von Vorsorgeverpflichtungen in Deutschland und Schweden bedingt durch das deutlich gesunkene Zinsniveau belastet.
Die in der Division MRO Schweiz zusammengefassten Aktivitäten für die Schweizer Armee erreichten ein insgesamt ansprechendes Resultat mit einer leichten Umsatzsteigerung. Positiv entwickelten sich unter anderem die MRO Dienstleistungen für Landsysteme und das Geschäft mit den Service-Level-Agreements (SLA) mit der Schweizer Armee. Im Werterhaltungsprogramm für die Transporthelikopter TH98 wurde der Prototyp fertiggestellt und es konnte auch bereits die Serienumsetzung gestartet werden. Vorbereitet wurde der Struktur-Upgrade der Schweizer F/A-18. Negativ auf die Erfolgsrechnung wirkten sich unplanmässige Schwierigkeiten bei der Entwicklung des Mörsersystems Cobra und in einem Projekt zur Zusatzpanzerung von Schützenpanzern für die belgische Armee aus.
Entflechtung
Die vom Bundesrat verlangte Entflechtung der RUAG wurde im Berichtsjahr mit Nachdruck vorangetrieben und MRO Schweiz wird seinen Betrieb wie geplant am 1. Januar 2020 aufnehmen. Die Geschäftsprozesse laufen ab diesem Zeitpunkt unabhängig, die Mitarbeitenden sind organisatorisch komplett voneinander getrennt und die geschäftsrelevanten Daten von MRO Schweiz sind in das System der FUB (Führungsunterstützungsbasis der Schweizer Armee) transferiert. Der Abschluss des gesamten Datentransfers verschiebt sich allerdings auf Grund des gewählten anspruchsvollen Szenarios. Um die grösstmögliche Datensicherheit zu erreichen, wurde entschieden, die Informatiksysteme von MRO Schweiz vollständig in den Sicherheitsperimeter des VBS zu integrieren. Die vollständige IT-technische und die juristische Entflechtung wird im Frühjahr 2020 abgeschlossen.
2019 wurden unter anderem die Organisationsstrukturen für die neuen Einheiten aufgebaut und die Rechtsträger gegründet. Dabei haben die verantwortlichen Gremien auch die Verwaltungsräte und das Management der neuen Unternehmen bestimmt. In den Verwaltungsrat von RUAG Holding, der ab dem 1. Januar 2020 RUAG International beaufsichtigt, wurden neu Dr. Jennifer P. Byrne, Jürg Fedier, Rainer Schulz und Dr. Laurent Sigismondi gewählt. Sie verstärken das Aufsichtsgremium mit zusätzlichem Know-how im internationalen Aerospace-Geschäft, im Finanzwesen sowie in globalen Lieferkettenpartnerschaften und Rechtsfragen. Paul Häring und Markus Hutter sind ausgetreten. Prof. Dr. Sibylle Minder Hochreutener wechselte in den Verwaltungsrat von MRO Schweiz.
Einen Wechsel gab es auf Ende Jahr auch an der Konzernspitze. Der Verwaltungsrat von RUAG und CEO Urs Breitmeier haben sich nach dem Abschluss der Entflechtung in gegenseitigem Einvernehmen getrennt. Urs Breitmeier hat RUAG in den letzten Jahren erfolgreich zu einem internationalen Konzern weiterentwickelt. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung danken Urs Breitmeier an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für sein grosses Engagement. Für die anstehende Transformation von RUAG International in einen globalen Aerospace-Konzern sucht der Verwaltungsrat eine geeignete externe Nachfolge. Bis zum Antritt des neuen CEO übernimmt CFO Urs Kiener interimistisch die Verantwortung.
Ausblick
In den kommenden zwei bis drei Jahren stehen für RUAG – zusätzlich zu den wirtschaftlichen Herausforderungen in den verschiedenen Märkten – zum einen der Umbau von RUAG International in einen globalen Aerospace-Konzern mit dem Verkauf der in MRO International zusammengefassten Geschäftseinheiten sowie RUAG Ammotec und der Verschlankung der Supportfunktionen auf den fokussierteren Aerospace-Konzern und zum anderen die Konsolidierung von MRO Schweiz im Zentrum.
Der neue Aerospace-Konzern wird seine von RUAG Holding übernommenen Supportfunktionen schrittweise an den im Vergleich zum Berichtsjahr nur noch etwas mehr als halb so grossen Umsatz anpassen müssen. Für diese anspruchsvolle Transformation wird über die kommenden drei Jahre mit Zusatzaufwänden von rund CHF 34 Mio. gerechnet. MRO Schweiz wird auf der anderen Seite eigene Supportfunktionen aufbauen müssen. Die durch die Trennung entstehenden Dissynergien werden in beiden Subholdings die Kosten ansteigen lassen.
Für alle in MRO International zusammengefassten Geschäftseinheiten sowie RUAG Ammotec wird ein Verkauf angestrebt. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sind zuversichtlich, dass für sämtliche Bereiche eine Lösung im Sinne von RUAG, dem Eigner und der Mitarbeitenden gefunden werden kann.
Die in 2020 weiterlaufenden Entflechtungs- und Transformationskosten sowie mögliche Auswirkungen der Coronakrise werden einen negativen Einfluss auf die Geschäftsergebnisse sowohl von RUAG International als auch RUAG MRO Schweiz haben.
Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat werden in 2020 dem Bundesrat einen im Rahmen der Entflechtung geforderten Implementierungsplan für die Weiterentwicklung von RUAG International unterbreiten. Dieser wird sämtliche geplanten Schritte auf dem Weg hin zu einem schlanken, global wettbewerbsfähigen und für einen Börsengang bereiten Aerospace-Konzern definieren.
Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung freuen sich darauf, gemeinsam mit den Mitarbeitenden, den Kunden, dem Eigner und den Partnern den Weg in die Zukunft in Angriff zu nehmen.
RUAG Holding AG
sig. Dr. Remo Lütolf |
sig. Urs Kiener |