Pandemie und Sonderaufwände belasten das Ergebnis stark.

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Die grösste Krise der Luftfahrt hat in den Geschäftszahlen von RUAG International wie erwartet tiefe Spuren hinterlassen. Der Nettoumsatz sank um knapp 15 % auf CHF 1181 Mio. (Vorjahr: CHF 1388 Mio.) und der EBIT auf CHF – 224 Mio. (Vorjahr: CHF –80 Mio.). Hauptverantwortlich dafür war die Covid-19-Pandemie. Sie führte unter anderem zu einem massiven Nachfrageeinbruch in der gesamten Luftfahrt. Die entsprechenden Aktivitäten von RUAG International mussten Umsatzrückgänge von zum Teil mehr als 30 % hinnehmen. Aber auch in allen anderen Bereichen wirkte sich die Pandemie durch Reiseeinschränkungen, Lockdowns und Verschiebungen von Projekten negativ auf den Geschäftserfolg aus. Den grössten Teil des Verlusts machten Sonderabschreibungen und Rückstellungen im Gesamtumfang von rund CHF 160 Mio. aus, die mehrheitlich auf Covid-19 zurückzuführen sind.

Sonderabschreibungen und Rückstellungen

Der Pandemieausbruch kam für einige Geschäftsbereiche von RUAG International zu einem ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt, weil sie mitten in einer Restrukturierung steckten. So befand sich beispielsweise der Flugzeugstrukturbau in der Endphase eines umfassenden Stabilisierungsprogramms, mit dem die Aktivitäten auf eine belastbare Basis gebracht werden sollten, als das Umfeld komplett auf den Kopf gestellt wurde. Es muss damit gerechnet werden, dass es Jahre dauern wird, bis der Luftverkehr wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht. Deshalb wurden im Berichtsjahr Sonderabschreibungen und Rückstellungen im Umfang von insgesamt CHF 84 Mio. notwendig.

Zu diesen addierte sich ein Buchverlust von CHF 50 Mio. im Zusammenhang mit dem Verkauf der Luftfahrtaktivitäten im Geschäftsbereich RUAG MRO International am Standort Oberpfaffenhofen. Für den Standort konnte mit General Atomics Europe ein neuer strategischer Investor gefunden werden, der per Ende Februar 2021 alle 420 Mitarbeitenden übernommen hat. Weitere Rückstellungen im Umfang von insgesamt über CHF 20 Mio. gehen auf das Konto von beschlossenen organisatorischen Anpassungen bei RUAG Space und den globalen Supportfunktionen. Bei RUAG Ammotec und RUAG Space mussten zudem die Pensionsverpflichtungen aufgrund tieferer Zinsen um CHF 7 Mio. erhöht werden. Pandemie veränderten Prioritäten mehrere grosse Raumfahrtprogramme zeitlich verschoben. 

Entwicklung der Bereiche

Die vier Bereiche von RUAG International entwickelten sich 2020 unterschiedlich. RUAG Space wurde durch die Covid-19-Krise in seiner Entwicklung gebremst und musste rückläufige Umsätze und auch ein negatives Geschäftsergebnis hinnehmen. Zum einen wurden wegen der durch die Pandemie veränderten Prioritäten mehrere grosse Raumfahrtprogramme zeitlich verschoben. Da keines der Projekte gestrichen wurde, darf dafür in der Zukunft mit zusätzlichen Umsatz- und Gewinnrealisierungen gerechnet werden. Negativ auf das Ergebnis des Bereichs ausgewirkt haben sich zudem die Reisebeschränkungen, die ab dem Frühjahr in Kraft traten. Sie behinderten den notwendigen Transfer von Know-how aus der Schweiz – insbesondere in die USA – und somit den Aufbau der neuen Produktionskapazitäten am Standort Decatur, Alabama, massiv.

Zukunftsträchtige Erfolge erzielte RUAG Space unter anderem mit der Lancierung eines überaus schnellen Computers für Satelliten. «Lynx» ist 250-mal leistungsfähiger als viele der heute verwendeten Bordcomputer und erfüllt damit perfekt die Anforderungen an künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in Weltraum-Entwicklungsprogrammen.

RUAG Aerostructures war von allen Geschäftsbereichen am stärksten von der Covid-19-Krise betroffen. Der massive Nachfrageeinbruch von über 30 % führte zu einem unmittelbaren Rückgang der Geschäftszahlen. Die Geschäftsleitung hat rasch reagiert und Kurzarbeit eingeführt, die Leih- und Zeitarbeitsverträge aufgelöst sowie Anpassungen bei den Arbeitszeiten der Festangestellten vorgenommen. Erfreulich ist, dass praktisch zeitgleich mit dem Ausbruch der Krise die Verlagerung von Arbeitspaketen an den ungarischen Standort Eger erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Am Jahresende erlangte Eger zudem von der ungarischen Luftfahrtbehörde die ESEA-Zulassung (European Union Aviation Safety Agency) als eigenständiges Produktionswerk. Die drei Standorte Emmen, Oberpfaffenhofen und Eger werden damit ihre Synergien und ihre spezifischen Qualitäten noch flexibler nutzen können.

Als Erfolgsgeschichte präsentierte sich im Jahr 2020 ein weiteres Mal RUAG Ammotec. Obwohl die Munitionsherstellung betrieblich als auch bei den Verkäufen in verschiedenen europäischen Marktsegmenten teils empfindliche Einbussen durch die Pandemieeinschränkungen hinnehmen musste, konnte der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um über 8 % gesteigert werden. Die zwei Wachstumstreiber waren der US-amerikanische Jagd- und Sportmarkt sowie der Bereich Armee & Behörden im Heimmarkt Deutschland; in der Schweiz haben die Bestellungen seit Jahren erstmals spürbar abgenommen. Mit dem diesjährigen Abschluss eines Fünfjahresvertrags für die österreichische Polizei gehört RUAG Ammotec zu den klar führenden Anbietern von Polizeimunition im deutschsprachigen Raum.

RUAG MRO International gelang im Berichtsjahr der Verkauf des Luftfahrtbereichs am Standort Oberpfaffenhofen. Der Käufer General Atomics Europe will nicht nur sämtliche Aktivitäten weiterführen, sondern Oberpfaffenhofen zum europäischen Luftfahrtkern der Gruppe ausbauen. Der mit dem Verkauf verbundene Buchverlust führt allerdings in Kombination mit den drastischen Auswirkungen der Pandemie bei allen Luftfahrtaktivitäten zu einem negativen Betriebsergebnis. Erfreulich ist die Tatsache, dass es dem Geschäftsbereich Simulation & Training gelang, einen wichtigen Auftrag für die französische Armee zu gewinnen. Dabei wird RUAG MRO International an der Entwicklung von Simulatoren für das Landfahrzeugprogramm «Scorpion» beteiligt sein.

Organisation und Personelles

Mit der Aufspaltung der Bilanzen, die der Schweizer Bundesrat am 22. April 2020 zur Kenntnis genommen hatte, konnte die materielle Entflechtung der ehemaligen RUAG erfolgreich abgeschlossen werden. Seit diesem Zeitpunkt operieren die RUAG International Holding AG und die RUAG MRO Holding AG nicht nur operativ, sondern auch rechtlich unabhängig voneinander.

Der Personalbestand hat sich mit 6299 Vollzeitstellen (Vorjahr: 6492) auch während der Covid-19-Pandemie nur leicht reduziert. RUAG International gelang es, die teils massiven Rückgänge der Arbeitsvolumen in enger Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen zum allergrössten Teil durch Kurzarbeit, flexible Arbeitsmodelle, die Reduktion von Leih- und Zeitarbeit und den Abbau von Ferienguthaben aufzufangen.

Ein im Februar angekündigter Abbau von maximal 90 Stellen bei RUAG Aerostructures war eine Folge der strategischen Neuausrichtung der Aktivitäten am Standort Emmen – unabhängig von der Pandemie. Hingegen stand der kommunizierte Abbau von bis zu 150 Stellen bis Ende 2021 im Bereich der globalen Supportfunktionen im Zeichen von Covid-19 und veranlasste das Unternehmen dazu, die Supportfunktionen frühzeitig an die nach der Entflechtung reduzierte Unternehmensgrösse anzupassen. Für alle von einem Stellenabbau betroffenen Mitarbeitenden werden faire und sozialverträgliche Lösungen gesucht. In der Schweiz kommt ein Sozialplan zur Anwendung.

Die Entflechtung und der Aufbau des neuen Unternehmens waren im Berichtsjahr auch von personellen Änderungen auf Ebene der Geschäftsleitung begleitet. Ende November hat André Wall die Leitung von RUAG International übernommen. Der erfahrene Aviatik-Manager kommt von der spanischen Fluggesellschaft Iberia, wo er als CTO (Chief Technical Officer) tätig war. Davor war Wall unter anderem als CEO von SR Technics und bei Jet Aviation beschäftigt. André Wall tritt die Nachfolge von Urs Breitmeier an, der das Unternehmen zu Beginn des Jahres nach 18 Jahren verlassen hat. Unter seiner Führung entwickelte sich RUAG zu einer internationalen Gruppe weiter.

Die Funktion des Finanzchefs hat Angelo Quabba im November 2020 übernommen. Er verfügt über grosse Erfahrung im internationalen M&A-Umfeld und war zuletzt bei Gurit und bei Bruker BioSpin sowie als langjähriger Finanzchef von SR Technics tätig. Urs Kiener, der zu Beginn des Jahres als CFO interimistisch die CEO Position mitübernommen hatte, hat sich entschieden, das Unternehmen zu verlassen. Er hat die Gruppe während insgesamt 24 Jahren in verschiedenen Führungspositionen entscheidend mitgeprägt.

Verwaltungsrat und Geschäftsleitung danken allen ausgeschiedenen Personen für ihr ausserordentliches und langjähriges Engagement und wünschen ihnen beruflich wie privat alles Gute und weiterhin viel Erfolg.

Ausblick

Die Pandemie hat das wirtschaftliche Umfeld grundlegend verändert. Im Frühsommer wurden die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Zukunft von RUAG International analysiert und es wurde eine Strategieüberprüfung durchgeführt. Darauf basierend wurde die Strategie der Bildung einer Aerospace-Gruppe gestoppt. Stattdessen werden individuelle Privatisierungen der Geschäftsbereiche umgesetzt. Die Herausforderungen präsentieren sich dabei für die verschiedenen Geschäftsbereiche von RUAG International sehr unterschiedlich.

Für RUAG Space gilt es, die Marktchancen, die sich in den nächsten Monaten und Jahren in grossen Raumfahrtprogrammen weltweit bieten, möglichst erfolgreich wahrzunehmen und wieder profitabel zu arbeiten. Dafür startete der Geschäftsbereich im Dezember ein Reorganisationsprogramm

RUAG Aerostructures muss sich demgegenüber auf eine komplett veränderte Marktsituation ausrichten. Es dürfte mindestens bis 2025 dauern, bis die Flugzeughersteller wieder die Volumen vor der Pandemie erreichen. Die notwendigen strategischen Anpassungen plant das Unternehmen auch in enger Abstimmung mit dem Hauptkunden Airbus vorzunehmen.

RUAG Ammotec wird die vom Schweizer Bundesrat beschlossenen Devestitionspläne weiter vorantreiben und strebt einen Verkauf auf Ende 2021 an. Für den seit Jahren äusserst erfolgreich und stabil wachsenden Bereich soll in Abstimmung mit dem Eigner ein Käufer gefunden werden, der das vorhandene Potenzial nutzen will und dem Unternehmen zusätzliche Marktchancen eröffnen kann.

RUAG MRO International konzentriert sich weiterhin auf die etappenweise Devestition der verbliebenen Bereiche. Dazu zählen einerseits die Geschäftstätigkeiten in Australien und Malaysia wie auch die Suche nach einem Partner für den Bereich Simulation & Training. Der Verkauf der Wartungs-, Reparatur- und Betriebstätigkeiten für Geschäftsflugzeuge und militärische Helikopter sowie die Produktion der Dornier 228 am Standort Oberpfaffenhofen konnte per Ende Februar 2021 abgeschlossen werden.

Nach dem äusserst anspruchsvollen Berichtsjahr freuen sich der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung, gemeinsam mit den Mitarbeitenden die Ärmel hochzukrempeln. Es gilt, sich an die neue Situation anzupassen, die sich bietenden Chancen zu packen und miteinander den Weg in eine erfolgreiche Zukunft in Angriff zu nehmen.

RUAG International positioniert sich neu

Mit dem Wechsel an der Spitze des Unternehmens richtet sich das Unternehmen neu aus. Der neue CEO André Wall hat sich vorgenommen, RUAG International schneller und agiler zu machen und näher am Markt und den Kunden auszurichten.

Langfristig wird sich RUAG International auf Spitzentechnologie für den Weltraummarkt konzentrieren und in innovative Lösungen investieren. Der Fokus liegt auf dem Ausbau der Marktführerschaft in Europa und dem Ausbau des globalen Marktzugangs besonders in den USA, aber auch in Asien – sei es für institutionelle als auch kommerzielle Programme im New-Space-Umfeld.

Statt dem Aufbau einer gemeinsamen Aerospace-Gruppe werden die einzelnen Geschäftsbereiche individuell weiterentwickelt und mittelfristig privatisiert. RUAG International hat den Implementierungsplan für die neue Strategie dem Bundesrat unterbreitet und sie wurde von diesem zustimmend zur Kenntnis genommen.

RUAG International Holding Ltd.

sig. Dr. Remo Lütolf
Chairman of the Board of Directors

sig. André Wall
CEO RUAG International